Wie das Lachen in die Klinik kam

Michael Christensen – Gründer der Klinikclowns-Bewegung

(Zusammenfassung der Lebensgeschichte von Michael Christensen)

Mutter Dorothy, Vater und Halbbruder Kenneth

Michael Christensen als Stubs
Michael Christensen als Stubs (1987)
© Martha Swope Associates
Quelle: circopedia

Die Mutter des Gründers der Klinikclowns-Bewegung hieß Dorothy Bernice Christensen geb. Benedict, die am 07.12.1916 in Walla Walla im Bundesstaat Washington geboren wurde. Die Mutter hatte insgesamt vier Ehemänner. Ehemann Nr. 2 Neil Chester Christensen war der Vater von Michaels Halbbruder Kenneth Lee Christensen, der am 06.11.1942 geboren wurde. Keiner der vier Ehemänner der Mutter war allerdings der leibliche Vater von Michael Christensen. Als Ehemann Nr. 2 Neil Chester Christensen 1 Jahr auswärts gearbeitet hatte, wurde die Mutter von einer Affäre schwanger. Der Gründer der Klinikclown-Bewegung wurde am 15.01.1947 (heute 71 Jahre alt) mit Namen Robert Michael Christensen geboren. Im Sommer 1972 starb seine Mutter an einem Herzinfarkt in Walla Walla. Michael war zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre alt.

Die Jugend von Michael Christensen

Michael lebte in ärmlichen Verhältnissen. Nach zahnärztlichen Untersuchungen gab es z. B. regelmäßig einen Brief mit nach Hause, in dem stand, dass Zahnpflege „dringend erforderlich“ sei. Er verdiente sich Geld mit Zwiebelsäcke nähen, Erdbeeren pflücken, Pflaumen verpacken und einem Rasenmäherservice in Walla Walla. Seine Mutter war Alkoholikerin. Im Rausch sagte sie Sätze wie „Ja, geh nur schlafen, du alter Hurensohn, du alter Schwanzlutscher. […] Ich wünschte, du wärst nie geboren.“ zu Michael. Trotz der Probleme zu Hause, hatte Michael gute Noten in der Schule (oder gerade deswegen). Als Michael 10 Jahre alt war, verschwand sein Halbbruder Kenneth  zu seinem Vater Neil, der mittlerweile in Tacoma lebte. Michael lebte 8 weitere Jahre lang alleine mit seiner Mutter bevor er 1965 im Alter von 18 Jahren ein Studium in Seattle begann (auch, um näher bei seinem Bruder zu sein). Eine große Erleichterung, da er endlich Walla Walla und den, vom Alkohol bestimmten Tagesablauf der Mutter hinter sich lassen konnte.

Erste Frau, erstes Engagement, Paul Binder und persönlicher Tiefpunkt

Michael bezeichnete sich zu dieser Zeit als „emotionaler Krüppel“, dessen einziger Wohlfühlort die Bühne ist. In seinem 2. College-Jahr startete er einen 3 jährigen Schauspielkurs. Er heiratete am 13.06.1969 im Alter von 22 Jahren seine erste Freundin (und gleichzeitig die Erste mit der er geschlafen hatte) Diane. Seine Mutter war bei der Hochzeit nicht dabei. Nach dem College erhielt Michael sein erstes Engagement in Chicago für ein Kinderprogramm. Er wurde Mitglied des San Francisco Mime Troupe und lernte innerhalb von einem Jahr das Jonglieren. Mit Larry Pisoni erarbeitete er eine gemeinsame Jonglagenummer und führte diese mit ihm gemeinsam regelmäßig auf dem Union Square in San Francisco auf. Michael wurde daraufhin Chef des Bewerbungskomitees des San Francisco Mime Troupe, wo er Paul Binder beim Vorsprechen kennenlernte und die beiden Freunde wurden. Nach Ende des San Francisco Mime Troupe waren er und Paul Binder gemeinsam mit einer komödiantischen Jonglier-Routine unterwegs. Nach dieser Tournee folgte die Scheidung von Diane, da Michael während der Tour eine Affäre hatte. Ein persönlicher Tiefpunkt für Michael: Frau Diane war gegangen, kein Vater, die Mutter tot.

Die Geburt von Leonard und Straßenjonglage in Europa

Im Jahr 1973 (im Alter von 26) reiste Michael mit Hilfe eines gefälschten Studentenausweises von San Francisco nach London, wo Bruder Kenneth mittlerweile schon als Zimmermann arbeitete. Michael wohnte bei Kenneth. Larry Pisoni sollte nachkommen, kam aber nicht nach. Im Herbst 1973 kam stattdessen Paul Binder nach London. Um den „ultimativen Erfolg“ mit ihrem eigenen Jonglierakt auf Europas Straßen zu haben, wurde das Gummihuhn Leonard geboren und in ihre Nummer eingebaut. Da es in London Probleme mit öffentlichen Auftritten gab (sie waren nicht registriert), zogen Kenneth, Paul, Michael und Leonard weiter nach Paris. Ohne viele Französischkenntnisse verdienten sie Geld mit ihrer Straßen-Jonglage. Phillipe Petite (bekannter Einrad Jongleur aus Paris) traf die beiden auf der Straße und sie wurden Freunde. Phillipe erzählte von seinem Plan zwischen dem World Trade Center auf einem Drahtseil zu laufen. Am 07.08.1974 realisierte er dies (2015 verfilmt in „The Walk“). Kenneth ging zurück in die USA. Paul und Michael tourten über den Süden Frankreichs, Italien, Korfu bis nach Istanbul. Da die beiden nicht nach Asien fahren wollten, ging es anschließend von Istanbul über Österreich und die Schweiz zurück nach Paris. 18 Monate dauerte die Europa-Tour.

Vom Straßenjongleur zum Zirkusbesitzer und die emotionalen Dämonen

Während einer Jonglage-Nummer in Paris wurden Paul und Michael von einem Impresario entdeckt, der sie für das Casino de Paris engagierte. Ihre Vorführung im Casino de Paris wurde im französischen Staatsfernsehen gezeigt. Dadurch entdeckte sie Annie Frattelini, mit ihrem Mann Pierre Etaix und engagierte die beiden für ihren neu gegründeten Nouveau Cirque de Paris. Im Frühjahr 1976 (Michael ist 29 Jahre alt) hatten Michael und Paul täglich 2 Auftritte vor ca. 1000 Leuten und waren als Künstler in der Zirkuswelt angekommen. Michael trank in dieser Zeit viel Alkohol. Paul erzählte Michael 1976 von seiner Idee, Geld für einen eigenen Circus in Manhattan zu besorgen. Am 04.07.1977 sollte ihr eigener Zirkus, der Big Apple Circus, nach dem Vorbild des Nouveau Cirque de Paris starten. Diverse Probleme wie z. B. eine zu kurze Zeltplane verzögerten den Start auf den 18.07.1977. Der Big Apple Circus umfasste 900 Plätze. Michael hatte mit 30 Jahren seinen eigenen Zirkus. Gleichzeitig stellte sich Michael in einer 2 Jahre andauernden bioenergetischen Therapie (bis 1978) seinen emotionalen Dämonen. Er hörte mit dem Trinken auf und bewältigte seine schwierige Vergangenheit.

Hollywood, Familiengründung und der Erfolg des Big Apple Circus

Im Jahr 1979 fanden keine Vorstellungen im Big Apple Circus statt (Michael ist 32 Jahre alt). In diesem Jahr erhielt Michael eine kleine Rolle im Film „Heavens Gate“. Drehort war Kalispell, Montana. Michael arbeitete mit Hollywood-Größen wie Kris Kristofferson, Jeff Bridges, Christopher Walken, Mickey Rourke und Willem Dafoe zusammen. Er spielte die Rolle des Robert Steingart, ein deutscher Einwanderer, der sich als Jongleur hervortut. In 5 Monaten lernte Michael mit 3 Keulen während des Rollschuhfahrens zu jonglieren. Während der Dreharbeiten lernte er seine zukünftige Frau Karyn kennen. Zurück in New York erhielt er die Rolle des „Splatz“, Hausmeister von Sweethaven Village, im Film „Popeye“. Der Dreh fand in Malta statt. Karyn war als Kostümbildnerin ebenfalls dabei. Er lernte Robin Williams kennen (Hauptdarsteller), der daraufhin auch einmal bei ihm im Big Apple Circus als Clown aufgetreten ist. Im Alter von 33 Jahren heiratete Michael Karyn am 30.06.1980 im Zelt des Big Apple Circus in New York. Für beide war es die 2. Ehe. Bruder Kenneth war Trauzeuge. Am 19.12.1980 wurde die erste Tochter Ivy Montana geboren, am 09.12.1983 die 2. Tochter Kila Margaret. 1981 zog der Big Apple Circus mit einem italienischen Kuppelzelt und 1.700 Plätzen in das kulturelle Zentrum New Yorks. 1983 erhielt der Zirkus den OBIE Award für herausragende Leistungen in der Theaterkunst. Die Christensens verkauften ihr Haus und lebten fortan im Wohnmobil.

Mr. Stubs und Zirkusdirektor Mr. Paul

Michael wollte eigentlich nie ein Clown sein. Er fand Clowns als Kind sogar gruselig. Nachdem zwei Clowns in den Ruhestand gegangen waren und die damit verbundene Clownsnummer entfallen war, sprangen Paul und Michael im Clownskostüm mit ihrer komödiantischen Jongliernummer ein. Michael war zu Beginn der Weißclown, Paul der „dumme August“. Michael fühlte sich allerdings nicht wohl als Weißclown und wurde zum Hobo-Clown (Landstreicher/Penner-Clown) mit zerschlissenen Klamotten und angeklebtem Bart. Er nannte sich zunächst Mr. Stubbly. Auf Grund des sperrigen Namens wurde er zu Mr. Stubbles und schließlich zu Mr. Stubs. Sein Markenzeichen war eine fleischfarbene Strumpfhose mit braunem Garn (behaarte Beine). Paul wurde der Zirkusdirektor Mr. Paul.

Tod des Bruders Kenneth

Im Sommer 1985 erhielt Michael (38) einen Anruf von Kenneth‘ Frau Carol. Kenneth hatte die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs im fortgeschrittenen Stadium erhalten und nur noch 4 Monate zu leben. Am Ende der Zirkus-Saison besuchte Michael mit seiner Familie eine Woche lang Kenneth, Carol und den 5-jährigen Sohn Rane in Seattle. Kenneth schenkte Michael in dieser Woche eine alte Arzttasche, die er für 4 Dollar auf einem Flohmarkt gekauft hatte. Er meinte, dass sein Bruder – der Clown – vielleicht etwas damit anfangen könne. Michaels Bruder Kenneth starb kurz darauf im Oktober 1985. In tiefer Trauer bat Michael Gott im Gebetsraum der Episcopal Church in Pen Argyl um eine Entscheidung, sein Leben für einen Zweck zu nutzen, den Gott bestimmen würde. Auf Grund eines finanziellen Engpasses schrieb Michael einen „Bettelbrief“ an seine Freunde, um die Reise mit seiner Familie zum Trauergottesdienst für seinen Bruder nach Seattle zahlen zu können. Die Familie konnte die Reise realisieren und verstreute die Asche des Bruders.

Die Geburtsstunde der Klinikclowns

Im Frühjahr 1986 erhielt Michael einen Anruf von Virginia Keim aus der damaligen Entwicklungsabteilung des Morgan Stanley Children’s Hospitals mit dem Angebot, am „Heart Day“ vor den kleinen Patienten der Herz-Klinik aufzutreten. Mit Arztkittel und selbstgebasteltem Klinik-Equipment stand der Arztparodie nichts im Wege. Aus Mr. Stubs wurde Dr. Stubs. Mit dabei waren die Clownkollegen Barry Lubin (Clownsnamen: Head dietician, Grandma), Jeff Gordon (Dr. Disorderly / Disorderly Gordon) und Leonard, das Gummihuhn. Mit dabei auch das Geschenk des Bruders Kenneth: Die Arzttasche. Ein erfolgreicher erster Auftritt. Michael Christensen wurde am 15.01.1947 geboren, am 18.05.1986 (im Alter von 39 Jahren) fand er heraus, was seine Lebensaufgabe ist (Tag des „Heart Day“). Es folgte ein fünf-wöchiges Pilotprojekt mit Michael Christensen (Dr. Stubs), Jeff Gordon (Dr. Disorderly / Disorderly Gordon) und Gummihuhn Leonard. Zu Beginn nannte sich das Team E.U.C. (Emergency Clown Unit), später (bis heute) Big Apple Circus Clown Care Unit® (CCU). Nach erfolgreichem Abschluss der Pilotphase wurden weitere Zirkuskünstler aus dem Big Apple Circus als Hospital Clowns tätig: Barry Lubin (head dietician, grandma) und Denis Lacombe (Dr. Schmoctor). Da die Zirkusclowns bald wieder auf Tournee gehen mussten, kamen ab 1987 weitere Hospital Clowns hinzu: Mark Mitton (Dr. Doctor) und Richard (Dikki) Ellis (Dr. Trikki). Laine Barton (Dr. Ibbidibidie) wurde die erste Frau der CCU, da Michael erkannte, dass das Verhältnis der Geschlechter wichtig ist. Auf der Suche nach weiblichen Clowns, empfahl Laine Barton Laura Fernandez (Dr. Wynona Do-More). Kim Winslow (Dr. Clarence D. Loon) und Deborah Kaufmann (Dr. Dibble) folgten.

Zitat aus dem Buch „Wie der Humor in die Klinik kam“:

„Bevor er starb, schenkte mir mein liebevoller Bruder eine alte Arzttasche. Später nahm ich die Einladung einer netten Frau an, an einem Frühlingsmorgen vor kranken Kindern in einem Krankenhaus aufzutreten. Alles andere ergab sich von selbst. Es ist eine Geschichte mit einem schmerzlichen Anfang, auf den eine freudvolle Mitte folgte. Ein Ende ist nicht in Sicht.“

Michael Christensen

Laura Fernandez – Start der Klinikclownbewegung in Deutschland

Laura Fernandez zog nach 7-jähriger Zusammenarbeit mit dem Team der Big Apple Circus Clown Care Unit® mit ihrem Mann Klaus nach Wiesbaden. 1993 fand sie im damaligen Leiter der Kinderklinik der Dr.-Horst-Schmidt-Klinik einen Förderer der Klinikclown-Idee. Die Clown-Doktoren nahmen schnell einen festen Platz in der Kinderklinik ein. Einige Monate später wurde im Jahr 1994 der Verein DIE CLOWNDOKTOREN E.V. gegründet. Dies war der Grundstein für das Clown-Doctoring / die Klinikclownbewegung in Deutschland. Laura Fernandez startete als Klinikclownin „Dr. Wynona Do-More“ bei der Big Apple Circus Clown Care Unit®. Heute ist sie als „Dr. Baby“ für die KlinikClowns Bayern e.V. unterwegs. Außerdem ist sie Lehrerin für Krankenhausclowning, Clown- und Körpertheater.

Laura Fernandez Porträt
Laura Fernandez
© Laura Fernandez

Patch Adams – Der geistige Vater der Humormedizin

Hunter „Patch“ Adams gilt als der geistige Vater der Humormedizin. Patch möchte die Lebensqualität der Patienten verbessern, indem der Heilungsprozess mit Humor angereichert wird. Patch Adams sieht man nicht als Erfinder der Klinikclowns, sondern eher als den Entdecker des medizinischen Humors. Patch Adams ist ein studierter Arzt, der sich wie ein Narr kleidet. Michael Christensen ist ein ausgebildeter Narr, der sich wie ein Arzt kleidet. Patch Adams ist ein selbsternannter politischer Aktivist, der außerhalb des Gesundheitssystems agiert. Michael Christensen ist dahingegen ein Gesundheitsclown, der sich diesem System als Partner zur Verfügung stellt. Beide kennen sich. Michael verwendet in seinen Vorträgen auch Zitate von Patch. Die Verfilmung seines Lebens („Patch Adams“) sorgte 1998 weltweit für eine größere Bekanntheit des Einsatzes von Humor in der Medizin, sowie Clowns im Krankenhaus.